Durch Leo Tolstoi, den russischen Schriftsteller, ist uns eine hübsche Erzählung überliefert über 3 heilige Brüder. Hier sei sie kurz erzählt.

Die Legende von den 3 Brüdern

«Es waren einmal drei alte Einsiedler, die auf einer einsamen Insel lebten. Sie waren so einfach, dass sie immer nur dasselbe Gebet sprachen, nämlich: <Wir sind drei – Du bist drei; erbarme Dich unser!>
Und dennoch geschahen oft grosse Wunder aufgrund dieses naiven Gebets.

Als der zuständige Bischof von diesen drei Einsiedlern und ihrem unstatthaften Gebet erfuhr, entschloss er sich, sie aufzusu­chen, um sie die kanonischen Anrufungen zu lehren. Er landete also auf der Insel, erklärte den Einsiedlern, dass ihr an den Himmel ge­richtetes Gebet jeder Würde entbehre und lehrte sie viele her­kömmliche Invokationen. Danach bestieg er wieder sein Schiff und verliess das Eiland. Doch plötzlich bemerkte er ein strahlendes Licht, das dem Schiff nachfolgte. Als es sich näherte, erkannte er die drei Einsiedler, die sich an den Händen hielten und eilig über die Wellen liefen, um das Fahrzeug einzuholen.

<Wir haben die Gebete vergessen, die Ihr uns gelehrt habt>, rie­fen sie, als sie den Bischof erreicht hatten. <Darum sind wir Euch nachgelaufen; könnt Ihr sie uns bitte wiederholen?> Doch der Bi­schof schüttelte ehrfürchtig sein Haupt.

<Liebe Brüder, erwiderte er demütig, <sprecht euer altes Gebet weiter! >»

Einfachheit als Grundprinzip

Diese Erzählung lehrt uns verschiedene Aspekte, allem voran den Aspekt der Einfachheit, die alles in sich beschliesst.

Wie oft werden wir heute, im Zeitalter des «Esoteriktourismus», wo viele Leute von einer esoterischen Veranstaltung zur ändern rennen, mit allen möglichen -ismen und zum Teil komplizierten Sy­stemen konfrontiert. Es ist im Normalfall gar nicht viel auszusetzen an diesen Systemen, die wahrscheinlich alle einen möglichen Weg zum Heil enthalten. Aber warum diese ganze Komplizierung, wo doch die Grundwahrheiten so einfach und für jedermann zugäng­lich sind. Es geht ja immer darum, das Wesentliche in diesen Syste­men zu erfassen. Wenn wir dies tun, nehmen wir den Standpunkt der 3 Brüder ein, die intuitiv erfassten, worum es geht, und die da­durch dem Heiligen so unglaublich nahe kamen, dass sie spontan und ohne grosses Brimborium ein Wunder (über das Wasser laufen) vollbringen konnten, während der Bischof mit all seinen kompli­zierten Anrufungen und seinem Zeremoniell wohl eher nur leere Luft bewegte, ohne etwas zu vollbringen. Der Bischof bewegte sich in alten Traditionen, die aber fern von ihm waren, die er nie selbst erlebt hatte. Wäre er innerlich dabei gewesen mit Leib und Seele, hätten auch seine komplizierten Anrufungen gefruchtet.

Im Herzen die Gesetzmässigkeiten intuitiv zu erfassen und mit seinem ganzen Sein und totaler Hingabe sich in diese Gesetzmässigkeit hineinzustellen, das ist das, was etwas bewirken kann, nicht aber intellektuelles Analysieren und Unterteilen der einen grossen Wahrheit in kleine Nuancen und komplizierte Systeme. Das letztere bringt nur Verwirrung und Unsicherheit, aber keine Realisation.

So sehen wir auch immer wieder Heiler am Werk, die mit grossem äusserlichen Aufwand und Zeremoniell arbeiten. Nur wenn sie innerlich völlig dabei sind und von der Wirksamkeit ihres Zeremo­niells restlos überzeugt sind, werden sie Erfolg haben. Hüten wir uns also vor dem äusseren Schein, und urteilen wir nicht über das, was wir nur augenfällig sehen. Die innere Einstellung ist wesentlich, sie entscheidet über Gelingen oder Fehlschlag.

Licht als Grundprinzip aller Materie und allen Seins

Das zweite interessante Detail an der Geschichte ist die Tat­sache, dass die 3 Brüder in einem strahlenden Licht erschienen. In dieser Geschichte, so gut wie in anderen Legenden um Heilige, er­scheint immer wieder dieses intensive Lichtphänomen, wie wir es ja z.B. auch aus der Bibel von der Auferstehung Christi kennen. Da waren die Soldaten geblendet von strahlendem Licht, heller als die Sonne, welches die Gestalt des auferstandenen Meisters umfloss. Auch auf alten Darstellungen von Heiligen sind diese immer mit einem Lichtschein um ihr Haupt dargestellt, dem so genannten Hei­ligenschein. Es ist also offensichtlich, dass solche «übermenschlichen» Fähigkeiten begleitet sind von Licht. Auch die moderne Forschung zeigt, dass Licht eigentlich die Grundsubstanz der Schöp­fung ist.

Alle Naturgesetze sind Gesetze einer dualen Welt, die immer aus Pol und Gegenpol besteht. Elektrizität ist ein Vorgang der Abstossung und Anziehung. Newtons Bewegungsgesetz sagt aus, dass jede Kraft eine Gegenkraft erzeugt, die gleich gross und entgegen­gesetzt gerichtet ist. Das Atom wird in seinem inneren Gleichge­wicht gehalten durch die entgegengesetzten Kräfte von Elektronen und Protonen. Andere Bereiche des Lebens zeigen diese Polarität ebenso: Mann und Frau, Tag und Nacht, gut und böse, süss und sauer, Säure und Lauge, Ebbe und Flut, Aufstieg und Verfall, Lust und Schmerz, Geburt und Tod usw. Es gibt kein physikalisches, che­misches oder anderes wissenschaftliches Gesetz, das nicht vom Prin­zip der Gegensätzlichkeit beherrscht wird. Eine einzelne Kraft gibt es nicht. Die ganze Welt der Erscheinungen steht unter der un­abänderlichen Gewalt der Polarität. Die alten Weisen des Ostens, die Rischis, die hinter den vedischen Schriften stehen, nannten die­ses Prinzip «Maya», bei uns auch Dualitäts- und Relativitätsprinzip genannt.

Das Licht nun ist in seiner Art einzigartig und von den Myria­den Geheimnissen des Kosmos eines der erstaunlichsten. Es braucht zum Beispiel für seine Ausbreitung kein Trägermedium. Einsteins Nachweis, dass die geometrischen Eigenschaften des Raumes eine Äthertheorie überflüssig machen, lässt den hypothetischen Äther der Wellenmechanik als überholt erscheinen. Nach Einsteins Er­kenntnissen ist die Lichtgeschwindigkeit – vom menschlichen Standpunkt aus gesehen – die einzige Konstante in einem sich stän­dig verändernden Universum. Von diesem einzigen «absoluten» Wert der Lichtgeschwindigkeit hängen alle menschlichen Zeit- und Raumbegriffe ab. Zeit und Raum sind relative und begrenzte Fak­toren. Ihr bedingter Wert existiert nur im Verhältnis zum absoluten Wert der Lichtgeschwindigkeit. Einstein hat also jede feststehende Wirklichkeit, mit Ausnahme derjenigen des Lichtes, aus dem Uni­versum verbannt. Mit seiner «einheitlichen Feldtheorie» reduzierte Einstein die Struktur des Kosmos auf Variationen des gleichen Grundgesetzes. So gelangte er zum selben Ergebnis wie die Rischis des Altertums, die behaupten, dass das Universum aus einer einzi­gen Substanz bestehe. (Siehe auch Kapitel XXX «Die Gesetzmässigkeit des Wunders» in «Autobiographie eines Yogi» v. Paramahansa Yogananda.) Oder um das Einsteinsche Grundgesetz E-mc2 mit Worten zu umschreiben: Ein Körper, der sich mit Lichtge­schwindigkeit bewegt, hat unendliche Masse; oder noch anders ge­sagt: ein Körper, der Lichtgeschwindigkeit erreicht, verwandelt seine Masse in Licht, wird zu Licht. Die moderne Physik zeigt also, dass Licht, Masse, Energie nur verschiedene Erscheinungsformen des einen hinter allem stehenden Grundprinzips sind.

Bezug zwischen Licht und «Wunder»

Unsere so fest und stabil anmutende Materie zeigt sich also im Licht der modernen Physik als höchst trügerisches, sehr wandel­bares Gebilde, das bei weitem nicht so fest ist, wie wir es oft an­nehmen. Materie ist nach den obigen Ausführungen auch nur ein bestimmtes Erscheinungsbild von Energie, genauso wie Bewusstsein auch ein Erscheinungsbild von Energie ist. Dies erklärt, wie «Wunder» zustande kommen können. Wer fähig ist, sein Bewusstsein zu beherrschen, beliebig darüber zu verfügen, der ist fähig, Energiestrukturen in andere wandeln zu können, z. B. Gegenstände materialisieren zu können, Licht in irgendetwas umwandeln zu können. Er ist fähig, sein Bewusstsein nicht mehr mit seinem win­zigen Körper zu identifizieren, sondern es zu befreien und den ganzen Kosmos zu umfassen, kraft der Gesetzmäßigkeit, dass seine «Masse» unendlich ist. Er kann sich also auch irgendwo im Kosmos materialisieren oder über Gesetze von Schwerkraft usw. befehlen. Heilige und hoch entwickelte Yogis beweisen diese Aussage.

Licht und Heilen

Was hat das Ganze nun mit Heilen zu tun? Auch hier geht es um einen eigentlich ganz einfachen Prozess. Es geht darum, sich mit der Lebenskraft, dem Licht (oder wie immer man diese Energie benennen will) in Verbindung zu setzen. Es muss Harmonie geschaffen werden mit dieser Kraft, der Heilende muss in Übereinstimmung mit dieser Kraft kommen. Er muss sie akzeptieren und sich aus­wirken lassen, ohne sie durch falsche mentale Vorstellungen zu blockieren.

Wir blockieren diese Kraft selbstverständlich nicht bewusst und willentlich. Aber erziehungsbedingt sind wir wie hypnotisiert auf ganz bestimmte Vorstellungen aus unserem Weltbild, das gewisse Phänomene ablehnt, weil sie nicht ins Denkschema passen, ohne dass gehörige Änderungen im Denken vorgenommen werden. So bleibt man lieber bei alt überlieferten falschen Vorstellungen, als neue zu akzeptieren, die das Überdenken des ganzen bestehenden Systems bedingen würden.

Leider ist die Menschheit in diesem Beharrungsvermögen un­heimlich stark. Man erinnere sich nur an Galilei, der mit dem Schei­terhaufen bedroht wurde wegen seiner damals revolutionären Theorie, die besagte, dass die Erde sich um die Sonne dreht und nicht umgekehrt. Es war aber eben diese Theorie, die sich nachher langsam Bahn brach und neue Entwicklungen erst zuliess. So wäre ein Umdenken in Bezug auf die «Lebenskraft» auch dringend not­wendig und könnte zu neuen Horizonten führen.

Was ist nun diese «Lebenskraft»? Ist sie etwas Neues, Unbe­kanntes? Sicher nicht. Wir leben, seit wir existieren, davon. Aber so wie wir unsere Sprache sprechen lernen als Kinder, ohne von der Grammatik eine Ahnung zu haben, so leben wir von dieser Lebens­kraft, ohne sie zu kennen. Sie ist aber auch der Wissenschaft nicht neu. Ein gewisser Nicola Tesla hat mit dieser Kraft bereits gearbei­tet und in einem speziellen Apparat diese Energie genutzt. Meines Wissens hat er leider sein Geheimnis mit ins Grab genommen. Wil­helm Reich soll sich später auch mit derselben Energie auseinan­dergesetzt haben, und es dürfte nicht mehr allzu lange gehen, bis die Wissenschaft diese Kraft neu entdeckt und zu nutzen versteht; d. h. die Wissenschaft müsste nur begreifen, dass Lebenskraft wie­der nur eine ganz spezielle Erscheinungsform der Energie ist, wan­delbar in alles Mögliche, wie wir oben ausgeführt haben.

Wie gesagt, ist diese Energie ganz wesentlich mit dem Licht in Verbindung. Das Licht ist die höchste Schwingungsform und der Urgrund allen Lebens und aller Materie, wie schon erklärt. Die heu­tige Wissenschaft arbeitet zwar auch mit dem Licht, je länger je mehr (z.B. Laser usw.), aber sie kann das Licht nur in Modellvor­stellungen verstehen und sein ureigenes Wesen nicht als einheitliches Phänomen erfassen. So gibt es das Modell des Lichtes als Schwingung, oder als Korpuskel. Beide Modelle können gewisse Ei­genheiten des Lichtes deutlich machen, aber nicht alle miteinander unter einen Hut bringen. Hier versucht also die Wissenschaft, das Urprinzip, das ursprünglich Eine in ein duales System zu bringen, um es begreifen zu können. Damit geht sie aber am Wesentlichsten des Lichtes vorbei, nämlich eben daran, dass das Licht die einzige unwandelbare Konstante eines sich stets wandelnden Universums ist.

Wie geschieht Heilen?

Wie passiert eigentlich Heilen? Heilen hat zu tun mit diesem Licht. Es geht also darum, sich zu fragen, wie es möglich ist, sich mit diesem Licht in Verbindung zu setzen, oder anders gesagt, wie es möglich ist, sein Bewusstsein so zu steuern, dass es sich in Harmo­nie setzt mit der Lichtenergie, dass die Bewusstseinsenergie eben Lichtenergie wird.

Heilen hat zu tun mit Liebe und mit Mitleid. Dabei gibt das deutsche Wort Mitleid eigentlich schlecht wieder, worum es geht. Im Englischen heisst es «compassion», ebenso wie im Französi­schen. Darin steckt das Wort «passion», was Leidenschaft heisst. Es geht also darum, mitzugehen in Leidenschaft, d. h. mit völligem Da­beisein. Man muss völlig in seinem Wesen miteinbezogen sein mit dem leidenden Menschen, damit man die nötigen Kräfte in Bewe­gung bringen kann, die zur Heilung führen können. Die Lauen oder Kalten bewirken nichts. Es fehlt dort der nötige Grad der Intensität. Nun steckt aber in dem Wort «Leidenschaft» auch das Wort «Leiden». Das Ziel ist sicher nicht, dass der Heiler durch sein Mit-Leiden ebenfalls zum Leiden kommt. Er soll sich durch seinen Zu­stand der Harmonie und durch das intensive Mitfühlen des Leidens des Mitmenschen über den Zustand des Leidens hinaus erheben und Einfluss nehmen in der Art, dass der Kranke durch die Kraft der starken Schwingung des Heilers mitzuschwingen beginnt, bis beide in Harmonie übereinklingen und das Leiden dadurch umgewandelt worden ist. Dann hat sich der Heilende nicht hinabziehen lassen von den negativen, unharmonischen Schwingungen in einen Zustand, in dem er selbst dann Opfer des Leidens wird (Mit-leiden im wahrsten Sinn des Wortes), weil er sich in die negative, unharmonische Schwingung eingelebt hat. Das ist eben nur zu bewerkstelligen durch die Kraft der Liebe, die immer in Übereinstimmung ist mit der Harmonie hinter allen Dingen. Sie beeinflusst dann die tiefe­ren, unharmonischen Schwingungen. Aber die Leidenschaft dabei ist wichtig, das völlige sich Hineingeben mit seinem ganzen Wesen, sonst wird nichts bewirkt. Man kann dies sicher auch anders aus­drücken und sagen, dass der Heiler in höchster Konzentration ar­beiten muss, damit er völlig dabei ist.

Wie haben wir uns diese Konzentration vorzustellen? Viele Leute verbinden Konzentration mit Ideen wie «völlig nur auf etwas ausgerichtet sein in einem Zustand höchster Anspannung». Diese Idee ist im ersten Teil richtig, nicht aber im zweiten. Es handelt sich um völliges Gerichtetsein auf einen Gegenstand, aber im Zustand absoluter Entspannung. Nur in diesem Zustand können die feinen in uns wirksamen Lebenskräfte sich über unseren Körper hinaus manifestieren. Wenn wir völlig angespannt sind, werden diese Kräfte bereits in der Muskulatur aufgebraucht und an uns selbst ge­bunden.

Man betrachte einmal einen grossen Musiker. Was geschieht bei ihm? Liest er krampfhaft Noten und gibt seinem Körper dann die nötigen Befehle, diese Noten mühsam in die nötigen Bewegungen umzusetzen, damit Musik entsteht? Nein, er lebt in seiner Musik und lässt sie aus ihm herausquellen.

Das absolute Gerichtetsein, ohne sich ablenken zu lassen, kann am besten am Zustand des Verliebtseins gezeigt werden. Der ver­liebte Mensch ist sich, egal was auch immer er gerade tut, des ge­liebten Menschen bewusst. Dieser geliebte Mensch erfüllt sein ganzes Denken und Sein und begleitet ihn, wo auch immer er ist. Das ganze Sein der Verliebten ist in Bann gezogen durch den ge­liebten Menschen. Er kann nicht anders, als ständig mental beim Geliebten zu sein.

Wenn wir uns beim Heilen in dieser Art Konzentration auf den Patienten einstellen können, dann geschieht Heilung. Wenn ich sa­ge, wir müssen uns auf den Patienten einstellen, meine ich dabei nicht, sich auf die Krankheit oder auf andere Unvollkommenheiten des Patienten einstellen, sondern im Patienten das erfassen, was ihn zum Menschen macht, nämlich die vollkommene, harmonische Ein­heit mit seiner Schöpferkraft, die ihn hervorgebracht hat, oder an­ders ausgedrückt, auf den idealen Menschen in ihm, der Ausdruck der Vollkommenheit ist, jenseits von Krankheit und Gesundheit. Damit stellen wir uns also auf den perfekten Zustand seines Kör­pers und seines Geistes ein und befassen uns gar nicht mit seiner Krankheit. Wir ziehen damit den vollkommenen Aspekt des Men­schen in den Bann unserer Konzentration und geben dieser Kraft Leben, anstatt sich mit der Krankheit auseinanderzusetzen und diese durch Konzentration noch aufzubauen.

Denn das, womit wir uns intensiv und mit unserem ganzen We­sen befassen, zu dem werden wir.

Die Medizin kennt dafür genügend Beispiele, z.B. Schein­schwangerschaften, wo eine Frau, obwohl kein Kind vorhanden ist, alle übrigen Phänomene einer Schwangerschaft aufweist. Das Phä­nomen kommt dadurch zustande, dass die Frau aus einer sie unbe­dingt beherrschenden Angst heraus, in Erwartung zu sein, sich im Zustand höchster Konzentration auf diese Angst befindet. Die äusseren Umstände sind aber gegen eine Schwangerschaft, weil die Frau nicht verheiratet ist, die Eltern sie unter Druck setzen, und die Gesellschaft ja nach wie vor die Schwangerschaft einer unverheira­teten Frau höchst schwer akzeptiert. Dadurch kann die Frau nicht anders, als sich ständig mit dieser Angst auseinanderzusetzen, ob sie nun arbeitet oder sonst was tut, und dies vom ersten wachen Mo­ment des Tages bis wieder hin zum Einschlafen. Durch diese höchste Art der (leider negativen) Konzentration schafft sie materielle Phä­nomene.

Wenn wir uns also stattdessen als Heiler in der genannten In­tensität mit Gesundheit und Harmonie auseinandersetzen, bewir­ken wir in uns selbst Heilung und im Patienten damit.

Die Mitarbeit des Patienten

Bis jetzt habe ich von der Arbeit des Heilers gesprochen. Es gibt aber auch die andere Seite. Der Patient muss auch mitmachen bei diesem Heilungsprozess. Der Patient sollte versuchen, sich auf po­sitive Zustände, also auf Gesundheit und nicht auf Krankheit ein­zustellen. Wenn man Angst hat vor einer Krankheit, konzentriert man sich darauf, ob man will oder nicht. Man führt so der Krank­heit ständig Energie zu, anstatt ihr wegzunehmen. Angst ist die höchste negative Konzentration! Sie baut also unweigerlich.

Es geht nun nicht darum, ein negatives Phänomen einfach zu verdrängen, so zu tun, als sei es nicht da, obwohl einen Schmerzen oder ähnliche Dinge ständig daran mahnen, dass es doch da ist. Das wird man gar nicht fertig bringen. Sollte es doch unter Aufbietung höchster Willenskräfte möglich sein, wird bald etwas anderes an seine Stelle treten. Das ist also der falsche Weg. Der richtige hinge­gen sieht so aus, dass man das Phänomen nicht so beachtet. Wenn es auftritt, sollte man sich sofort auf den positiven Zustand kon­zentrieren, also auf das Gegenteil dessen, was man spürt, damit dem positiven Zustand Energie zugeführt wird. Hier ein Bild, um deut­lich zu machen was ich meine. Wenn ich zu Hause Gäste habe, die ich nicht mag, und ich gebe ihnen nichts zu essen und zu trinken und kümmere mich nicht um sie, werden sie höchstwahrscheinlich wieder verschwinden und auch nicht wieder kommen. Eine Krank­heit ist auch ein ungebetener Gast. Ich sollte mich also nicht noch speziell um sein Wohl kümmern, indem ich ihn mit unnötiger, ja schädlicher Aufmerksamkeit verwöhne.

Sich einer Krankheit mit geistigen Mitteln zu entledigen, braucht Zeit. Wir müssen uns vorstellen, dass wir der Krankheit ge­genüber schlechte Gewohnheiten angenommen haben. Wir beach­ten sie z. B. immer, anstatt uns auf den positiven Zustand zu kon­zentrieren. Diese schlechte Gewohnheit muss umgepolt werden in eine gute, und das braucht Zeit, aber es ist möglich. Es ist wie bei den kleinen Kindern. Jedes gesunde kleine Kind lernt gehen. Es sieht die ändern Menschen gehen und hat daher nicht die gering­sten Zweifel, dass es das auch kann. Es denkt schon gar nicht an die Möglichkeit, dass es eventuell nicht gehen lernen könnte. Es stolpert zwar und tut sich weh dabei, aber es kommt deswegen nie auf den Gedanken, das Unterfangen sei zu schwierig. Es steht im­mer wieder auf und versucht es von neuem. Wir Erwachsenen sind in der Richtung leider sehr viel negativer. Wenn ein Versuch nicht nach zwei drei Anläufen Früchte zeigt, sind wir höchst verunsichert und verzagen und sagen, das ist wahrscheinlich nichts für mich.

Wenn wir uns aber verhalten wie das kleine Kind, dann können wir die Krankheit langsam aber sicher besiegen, aber es braucht Zeit. Stolpern ist erlaubt dazwischen, man muss nur immer wieder aufstehen.

Schlussbemerkungen

Mit dieser Bemerkung über die Kinder schliesst sich der Kreis wieder, denn damit sind wir wieder beim Prinzip der Einfachheit angelangt. Kinder haben diese Einfachheit noch, sind  noch diese Einheit ohne Zersplitterung. Was für ein Potential und welche Re­generierungsfähigkeit sie damit entwickeln, kann jedermann fest­stellen, der einem kleinen Kind eine Weile bei seinem Treiben zu­schaut. Wir Erwachsenen wären nach kürzester Zeit völlig erschöpft bei ähnlicher Energieentfaltung.

Diese Ausführungen sind ein Versuch, die Einheit zu erklären in einer dualen Welt mit polarer Sichtweise, die ein System braucht, um die Einheit überhaupt erkennen zu können.

Wie entscheidend wesentlich es aber ist, nicht über diese Ein­heit zu theoretisieren, sondern sie zu sein, wird durch die folgende Fabel verdeutlicht.

Die Fabel vom Berg

Ein Mann ging zu einem Berg und sagte: «Was für ein Narr du doch bist, o Berg! Du kennst weder deine Grösse, noch deine Höhe, noch dein Gewicht. Ich aber weiss alles über dich!» Der Berg über­legte ein Weilchen und sagte dann: «Es stimmt, dass ich all dies nicht weiss; aber ich bin der Berg!»

(Zitiert aus «Indische Fabeln» von S. Yesudian)

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