Wie weit kann Heilung eigentlich stattfinden? Wie weit ist sie abhän­gig von unserem freien Willen? Ist nicht ein großer Teil unseres Lebens und der darin ablaufenden Dinge vorausbestimmt?

Solche und ähnliche Dinge werden immer wieder gefragt. Einzelne Philosophien unterstützen eine solche Fragestellung, wie z.B. die Theorie der Prädestination (Vorausbestimmung) (Kismet im Islam), nach welcher, – so mag es erscheinen – überhaupt nichts frei geschehen kann, sondern alles vorausbestimmt ist. Auch in der Bibel kann man Stellen finden, die diese Meinung anscheinend unterstützen, wie z.B. “Es fällt kein Haar von unserem Kopf, ohne dass Gott es will”.

Solche Aussagen würden natürlich das Heilen generell in Frage stellen, denn man könnte argumentieren, dass sowieso geschieht, was eben geschehen muss, ob wir nun einzugreifen versuchen, oder ob wir dem Schick­sal seinen Lauf lassen.

Diese Aussagen haben alle ihre Berechtigung, nur sind sie nicht so absolut zu fassen, dass sie ausschließlichen Wert haben. Sicher sind Mächte am Werk (ob wir nun von Gott, Allah, Gesetzmäßigkeiten, Energien oder wie immer sprechen), die unser Leben maßgeblich bestimmen. Daneben bleibt aber noch Platz für den freien Willen eines jeden Individuums. Dieser freie Wille ist es ja gerade, der für unsere Entwicklung verantwortlich ist, denn nur in diesem Bereich haben wir eigentlich eine Möglichkeit, uns weiter zu entwickeln.

Wie lässt sich das nun miteinander vereinbaren? Was ist voraus­bestimmt und was ist frei? – Vielleicht wird folgendes Bild der Situation einigermaßen gerecht: Unsere Bedingung ist analog der des kleinen Kindes innerhalb der Familie. Ein Kind wird durch seine Geburt innerhalb einer Familie und damit innerhalb eines bestimmten Umfeldes schon weitgehend in seinem Spielraum eingeengt und festgelegt. Stellen wir uns eine Art Modell aus verschiedenen Schalen um das Kind herum vor, das es festlegt. Die äußerste Schale ist die Welt selbst, die vorgibt, unter was für physischen Bedingungen wir zu leben haben (Abhängigkeit von Sauerstoff, Wasser, Nahrung, Schwerkraft etc). Die nächste Schale ist die Rasse (Weiße haben andere Denkmuster und erziehungsbedingte Clichés als z.B. Schwarze). In dieser Schale liegt die Schale der Nation (ein Schweizer sieht die Welt und ihre Probleme aus anderem Blickwinkel als z.B. ein Engländer). Darin liegt wieder die Schale der einzelnen Region (wenn nicht regionale Unterschiede im Erleben und im Blick auf die Welt vorhanden wären, hätten die kleinen Zwistigkeiten z.B. zwischen Nord- und Süditalienern oder zwischen Zürchern und Baslern keinen Nährboden). Schließlich folgt dann mal der Rahmen der Familie, die eben die Welt wieder aus ihrem ureigenen Blickwin­kel zu sehen gewohnt ist. Aus wie vielen Schalen das Modell besteht, die diesen familiären Rahmen umgeben, möchte ich nicht festhalten, man kann sie sicher beinahe beliebig vervielfachen. Zum familiären Rahmen gehören auch wieder viele Nuancen, wie z.B. sozialer Status, Glaubensbekenntnisse, Einstellung zum Leben und zu geistigen Dingen etc. Schlussendlich steht da noch der Wille der Eltern, der die Freiheit des Kindes aus einer momentanen Situation heraus willkürlich wieder maßgeblich beeinträchtigt.

Und trotz all dieser beinahe endlosen Beschränkungen hat das Kind doch noch die Möglichkeit, in seinem eng abgesteckten Bereich sich zu entscheiden, wie es will. Ja dieser Freiraum ist sogar sehr maßgebend für das Kind. Ohne diesen Freiraum könnte es sich nicht entfalten, sondern würde völlig willenlos dahinvegetieren. Dass wir dies nicht tun, können wir un­schwer an unserem eigenen Leben ablesen.

In diesen Freiraum hinein gehört nun auch das Heilen. Natürlich haben wir all unsere ureigenen Bedingungen, die wir bereits mitbringen und die uns wahrscheinlich nur zu einem sehr geringen Teil bewusst sind. Trotz­dem bestimmen sie weitgehend unter anderem auch unsere Gesundheit. Da wir unseren freien Willen haben, können wir diese Gesundheit wandeln. Heilen greift gerade da ein. Der Heiler wird versuchen durch die Kräfte, die durch ihn wirken, eine Veränderung in der inneren Struktur des Patienten herbeizuführen, nicht dadurch, dass er dem Patienten etwas übergibt, oder gar ihm aufzwingt, sondern dadurch, dass er ihn dazu anregt, dass im Patien­ten selbst eine Veränderung eintritt, die eine Heilung aus dem Patienten heraus möglich macht. Es ist also nicht Übertragung von Heilung auf einen Patienten von außen her, sondern Anregung zu einer möglichen Veränderung im Patienten aus ihm heraus, Anregung zu einem Einschwingen in einen für den Patienten harmonischeren Zustand. Wenn er in größere Harmonie gerät, können z.B. auch seine körperlichen Funktionen wieder harmonischer ablaufen.

Natürlich gibt es begnadete Heiler, die darüber hinausgehen können und fähig sind, Energien im Körper des Patienten zu lenken und so über den bewussten Willen des Patienten hinaus eine Veränderung herbeizuführen. Dennoch ist auch dazu Grundbedingung, dass der Patient auf irgend einer seiner Ebenen das (meist unbewusste) Einverständnis gibt, dass etwas sich wandeln darf. Denn wir sind – ob wir es wollen oder nicht – dazu verdammt, unser Leben selbst zu leben, das kann uns niemand abnehmen, und das ist gut so, sonst würden wir nicht echt etwas lernen dabei.

Karma und Heilung:

Nun stellt sich natürlich auch die Frage, in wie weit wir durch unsere Handlungen schon vorbestimmt sind, oder anders ausgedrückt: wie weit bestimmt unser Karma denn z.B. auch den gesundheitlichen Zustand?

Auch in diesem Bereich herrschen sehr unterschiedliche, oft einschrän­kende Meinungen. Sehr oft wird gesagt, dass Karma unabänderlich sei, dass also z.B. irgendwelche negativen Handlungen in einer fernen Vergangenheit es gar nicht mehr zulassen, dass wir noch gesund sein können.

Alles was wir tun, fühlen, denken etc., ist Schwingung, oder anders ausgedrückt, eine bestimmte Art der Energie. Diese einmal in die Welt gesetzte Energie geht nicht verloren, das weiß die Physik und das ist auch Sensitiven bekannt. So gibt es Hellsichtige, die z.B. die “Akashachronik”, lesen können (siehe Rudolf Steiner “Aus der Akashachronik”). Es handelt sich dabei um die in irgendwelcher Form energetisch in die Welt gesetzten Dinge, die auch nach Jahrtausenden als Energiefelder noch vorhan­den sind und von Sensitiven erfahren werden können.

Was ist nun Karma? Durch unsere “Handlungen” im weitesten Sinne (selbstverständlich gehören dazu auch unserer Gedanken, v.a. wenn sie intensiv sind!), schaffen wir also Energiefelder. Wenn wir immer wieder in eine gewisse Gewohnheit fallen, dann verstärken wir dadurch das geschaffene Energiefeld. Gleichzeitig haben wir immer mehr die Tendenz, uns mit diesem spezifischen Energiefeld wieder in Verbindung zu setzen. Es versteht sich von selbst, dass es dabei in gleichem Maße um gute und schlech­te Gewohnheiten geht. Beide zwingen uns mit derselben Kraft. Wir wissen alle sehr gut, wie stark Gewohnheiten uns binden können, in dem Sinne, dass wir sie immer wieder aufgreifen, z. Teil auch gegen besseres Wissen und Wollen.

Ich brauche den Begriff “Gewohnheit”. Ich möchte dabei beto­nen, dass dies in sehr weitem Sinn aufzufassen ist. Wie gesagt, geht es um Energiefelder jeder Art, die wir aufbauen. Jegliche Handlung, oder jeglicher Gedanke, auch wenn nur einmal stattgefunden, erzeugen Energie. Je häufiger aber gleiche Energie erzeugt wird, desto mehr bildet sie ein Feld, das immer mehr an Stärke zunimmt.

Ich möchte dies an einem Beispiel noch deutlicher machen. Wenn wir in der Physik einen Funken springen lassen wollen, benötigen wir z. B. dazu Funkenhörner, d.h. zwei gebogene Metallsonden, die wir zuerst einander sehr stark annähern müssen, damit ein Funke springen kann. Sobald der Funke aber gesprungen ist, können wir die Hörner weiter von einander entfernen, und die elektrische Entladung findet weiterhin statt. Der Physiker erklärt das dann so, dass er sagt, die Luft sei ionisiert worden, so dass nun eine stärkere Leitfähigkeit für die Elektrizität besteht. – Ähnlich können wir sagen, dass jede Handlung oder jeder Gedanke unser Umfeld “ionisiert” und so die Bedingung schafft, dass gleichgeartete Energie sich leichter entwickeln kann.

Das berühmte Zitat aus dem Zauberlehrling „Die Geister, die ich rief, werd ich nicht los“ bringen eigentlich genau dasselbe zum Ausdruck.

Diese Tatsache, dass einmal angenommene Gewohnheiten uns in ihren Bann ziehen, kann man als Karma bezeichnen. Es ist also” die Macht der Gewohnheit”, die sich durch die besprochene Rückkoppelung auf unsere zukünftigen Handlungen auswirkt. Anders ausgedrückt: Was wir säen, müssen wir auch wieder ernten. Es ist also absolut wichtig, wie die Qualität der Saat aussieht, denn nach ihr richtet sich die Ernte!

Wie schwer es ist, solchen Gewohnheiten wieder zu entkommen, weiß z.B. jeder Raucher. Dort kommt zu den schlechten Gewohnheiten wie: wenn man ans Telefon geht, zündet man sich eine Zigarette an, oder: nach dem Essen muss unbedingt eine Zigarette geraucht werden, natürlich noch das Phänomen der Sucht hinzu, d.h. in bestimmten – scheinbar von Gewohnheiten unabhängigen – Momenten muss man unbedingt eine Zigarette haben, weil der Körper imperativ danach verlangt, weil man den Eindruck hat, ohne Nikotin halte man es nicht mehr aus. Hier hat die Gewohnheit bereits ein so starkes Feld entwickelt, dass sie zur unabdingbaren Notwendig­keit geworden ist, weil sie auf den Körper bereits derart nachhaltig einge­wirkt hat, dass der Raucher es so erlebt, als habe er keine andere Möglichkeit mehr, als dieser Sucht nachzugeben. – Oder auch jeder Spieler kann das Gesagte unschwer ermessen. Da sagt man dann auch etwa, der Spieltrieb wird zur Sucht. Selbstverständlich gibt es weniger schwerwiegende Gewohn­heiten. Die Skala der Nuancen, wie stark uns Gewohnheiten in ihren Bann schlagen, ist unbegrenzt.

Dass diese Phänomene auch positiv wirksam sind, zeigt folgendes Beispiel:

Wohl jeder weiß aus eigener Erfahrung, wie sehr eine Liebes­bindung die beiden Partner beinflusst und in emotionale Höchststimmung versetzt. Der/die Verliebte ist in jeder Situation mit seiner/m Geliebten verbunden. Ob er/sie nun arbeitet oder sonst wie beschäftigt ist, stets ist das Bild des geliebten Wesens in ihm/ihr präsent mit kaum zu überbietender Eindringlichkeit. Wenn er/sie nicht gerade schläft, ist er/sie in höchster Konzentration auf das geliebte Wesen gerichtet. Da kommt nichts dagegen an. Immer wieder erwachen in Gedanken Erinnerungen an glückliche Sze­nen in all ihrer emotionalen Stärke und bewirken höchstes Glücksgefühl. Man schwelgt in diesen Erinnerungen, malt sich neue Situationen aus und möchte ständig die Momente solch hoher Intensität wiederholen. Müßig zu sagen, dass solche Intensität außerordentlich starke Felder schafft, denen man sich kaum mehr entziehen kann.

Da auf dieser Erde das einzig Konstante der ewige Wandel ist, wissen wir auch sehr genau, wie stark eine solche Bindung weiter besteht, wenn das eine Wesen durch irgendwelche Enttäuschungen entfremdet, sich entfernt und das andere nicht loskommen kann.

Aus den genannten Beispielen wird klar, dass solche Gewohnhei­ten fast unüberwindlich sein können, sowohl im Positiven wie auch im Negativen. Jedermann weiß aber auch, dass eine noch so grosse Gewohnheit überwunden werden kann. Ein positives Energiefeld kann durch starke negative Beeinflussung allmählich in sein Gegenteil verkehrt werden. Ebenso kann ein negatives Energiefeld mit der Zeit in ein positives umgewandelt werden, allerdings in vielen Fällen nur unter Aufbietung all seines Willens und seiner Kraft.

Nochmals: Karma ist also eine Art solcher “Gewohnheit”, ein Ener­giefeld, das uns magisch anzieht. Wenn wir in früheren Phasen unserer Existenz (damit meine ich natürlich auch Phasen, die einer Existenz angehö­ren vor unserem von uns als jetziges zeitliches Leben aufgefassten Leben, ein so genanntes früheres Leben) in gewisse Gewohnheiten verfallen sind, werden wir im jetzigen Moment die Tendenz haben, von dieser Gewohnheit, diesem alten Energiemuster, wieder angezogen zu werden und es nicht loslassen zu können.

Karma überwinden

Nun stellt sich die Frage, wie man Karma überwinden kann. Glück­lich, oder mindestens nicht mehr im Bann der Gewohnheit, ist doch der, der nicht mehr von seinen ungestümen negativen Gedanken und Emotionen in die alten Energiemuster hineingezwungen wird, oder der, welcher positive Muster aufrecht erhalten kann und ihnen immer neue Nahrung zukommen lässt. Es geht also ganz wesentlich darum, für negative Zustände ein neues Bewusstsein zu schaffen, entweder frei von den alten Denkmustern, oder als Um­wandlung alter Denkgewohnheiten. Umwandlung alter Muster in neue, dem Wesen förderliche, positive. Unnötig zu sagen, dass das schnell gesagt ist, aber unter Umständen beinahe einem Sprung über den eigenen Schatten gleichkommt.

Wir müssen uns dabei klar sein, dass die Veränderung in unserer Einstellung entsteht. Oder anders ausgedrückt, es sind unsere mehr oder weniger bewussten Denkstrukturen (sogar in sehr vielen Fällen unbewusste), die uns zwingen und mit alten Energiemustern wieder in Verbin­dung bringen. Wenn wir “umdenken” lernen (dies muss nicht in unserem Wachbewusstsein passieren), haben wir die Möglichkeit, den alten Energiemu­stern zu entfliehen. Leider steht erschwerend diesem Umdenken die Tatsache gegenüber, dass wir normalerweise über unsere Gedanken keine Kontrolle haben. Falls Sie dies nicht glauben sollten, versuchen Sie z.B. einmal, das Bild einer brennenden Kerze rein festzuhalten, ohne von anderen Gedanken dabei gestört zu werden. Selbst wenn Sie die Kerze leibhaftig brennend vor sich haben und mit offenen Augen fixieren, werden Sie es nicht schaffen, nicht abgelenkt zu werden, es sei denn, Sie haben dies lange geübt.

Meditation

Wie komme ich nun dazu, diese “Gedankenfreiheit”, dieses Loslas­sen von alten Mustern zu erlangen? Durch Meditation! Meditation heißt nicht einfach, eine bestimmte äußere Position einzunehmen. Meditation hat über­haupt nichts mit äußerem Gehaben zu tun. Jede Tätigkeit kann Meditation sein! Einer malt, ein anderer gibt sich im Sport total aus, jemand spielt Musik, ein anderer betreibt Yoga (ein Weg, der seit Jahrhunderten erprobt ist, aber nicht der einzig mögliche! es führen viele Wege zum Ziel; ein jeder soll den für ihn zu ihm passenden suchen!): das kann alles Meditation sein, es kann aber auch nur eine reine äußerliche Tätigkeit sein, dies hängt von der inneren Haltung ab. Meditation ist ein innerer Zustand. Und zwar der Zu­stand, in dem wir es geschafft haben, unseren unablässig dahinstürmenden Gedanken Einhalt zu gebieten, sie zur Ruhe kommen zu lassen, damit das ungeheure Potential in uns, das stets die Möglichkeiten, die wir zu seiner Anwendung haben, um ein Vielfaches übersteigt, sich manifestieren kann, aus uns aufsteigen kann.

Lassen Sie mich 2 Bilder aus östlicher Tradition zitieren, die sehr plastisch darstellen, worum es geht:

Es ist  wie mit einem Teich, auf dessen Grund wertvolle Perlen liegen. Nun herrscht aber Sturm auf diesem Teich, d.h. die Oberfläche ist unruhig und damit nicht mehr durchsichtig. Lassen wir den Sturm sich legen, damit wir die Perlen sehen können auf dem Grund und sie heraufholen können.

Oder:

Wir sind wie eine Lampe. Im Inneren brennt hell und klar ein Licht. Nun rußt das Licht aber leider und damit werden die kleinen Scheibchen der Lampe immer undurchsichtiger. Versuchen wir also, so viel wie möglich von diesem Ruß zu entfernen, damit das Licht ungehindert wieder erstrahlen kann.

Was landläufig als Meditation bezeichnet wird, ist im Normalfall nichts anderes, als Zur-Wahl-Stellung von Techniken, die zu dem führen können, was wirklich Meditation ist. Meditation fängt eigentlich erst dort an, wo die Gedanken zur Ruhe gekommen sind.

Wie schon gesagt, es gibt nicht “die Meditation”, also die Meditationstechnik gemeinhin, sondern jeder muss sich selbst entsprechend etwas suchen, was ihm am geeignetsten scheint, um seine Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen. Welche Technik man nun anwenden soll und wie die Technik genau angewendet wird, ist ein viel zu weites Feld, um in diesem Artikel behandelt werden zu können. Es gibt dazu genügend Litera­tur.

Wirkungsbereich des Karmas

Damit sei also klargestellt: Karma ist sicherlich eine große Macht, aber nicht eine blinde, alles beherrschende, sondern eine Macht, die nur so groß ist, wie wir es ihr erlauben zu sein! Es liegt am einzelnen, zu versu­chen, diese Macht zu überwinden gemäß seinen eigenen Fähigkeiten. Und diese Fähigkeiten sind in jedem zur völligen Genüge vorhanden, es reicht, dass er sie anerkennt und nicht durch Zweifel zunichte macht! Negatives Karma kann also überwunden werden in dem Maße wie wir fähig und wil­lens sind, das Karma nicht einfach als gottgegeben hinzunehmen, sondern diese Energiestrukturen zu bekämpfen oder zu transformieren.

Was macht nun der Heiler?
Er versucht, den Patienten so zu bewir­ken, dass dieser fähig wird, alte Energiefelder umzuwandeln, um auf diese Art zu neuer Harmonie in seinem Inneren zu kommen. Dies braucht nicht auf einer Ebene stattzufinden, zu der wir bewusst Zugang haben, Hauptsache ist, dass es geschieht.

Heiler und Perfektion

Wenn man dies so hört, kann die Meinung aufkommen, dass ein Heiler ein perfektes Wesen sein muss, damit er solche Zustände bewirken kann, oder auch, dass ein Heiler, der selbst nicht im Zustand perfekter Ge­sundheit ist, gar kein Heiler sein kann, denn der Krankheitszustand ist doch Ausdruck seiner Unvollkommenheit.

Diese Meinungen sind sehr einseitig und zu einschränkend. Alles auf dieser Erde ist eine Frage des Maßes. Selbstverständlich ist ein Wesen wie Christus ein Ausdruck höchster Vollkommenheit, und ebenso selbstverständ­lich sind dadurch seine Fähigkeiten des Heilens nahezu unbeschränkt. So wird ihm ja nachgesagt, dass er sogar Tote zum Leben erwecken konnte. Aber es gibt nicht nur die Extremzustände: vollkommener Heiler oder gar kein Heiler. Jeder Mensch ist ein Heiler, nur ist sich dieser Tatsache nicht jeder bewusst. Auch das Heilen erfordert eine gewisse Übung und so wird jener eben mehr Erfolg haben, der jahrelang immer wieder sich mit Heilen befasst. Zudem spielt eine wesentliche Rolle, wie wichtig der Heiler sich selbst nimmt. Je mehr er erkennt, dass nicht er es ist, der heilt, sondern eine Macht, die hinter ihm steht und ihn dadurch ja selbst überhaupt erst am Leben erhält, desto mehr wird er die Kräfte, die Heilung verursachen, fließen lassen können, ohne für sie ein Filter zu sein und sie zu beschränken. Es gibt also alle Schattierungen von Qualität unter den Heilern von dem, der gar nichts mehr bewirkt, bis hin zu dem, der den Kräften voll erlaubt, sich auszuwirken und damit wahre “Wunder” bewirkt.

Was den Gesundheitszustand des Heilers angeht: Es hat immer wieder Heilige gegeben, die große Heiler waren und trotzdem Leiden zu erdulden hatten. Viele von ihnen haben diese Leiden, weil sie aus Liebe und Erbarmen auf sich übernehmen und an sich abtragen, was eigentlich die Bürde der von ihnen Behandelten sein sollte. Viele Heiligenlegenden berichten davon.

Aus Unvorsichtigkeit und weil man sich nicht gebührend schützt, können Leiden auch von unbedeutenderen Heilern übernommen werden. Diese Leiden gehören aber nicht seit langer Zeit zum Heilenden, und können daher relativ leicht auch wieder abgelegt werden.

Der Diamant als innere Natur

Wir müssen uns bewusst sein, dass wir alle “Kinder Gottes” sind, und damit Edelsteine, Diamanten. Ein Diamant ist ein Diamant, auch wenn er im Dreck steckt! Daran ist nichts zu ändern. Unsere “göttliche” Abstammung ist der Diamant in uns, unser Ego normalerweise der Schmutz darum herum, den es gilt, abzuwaschen. Wir werden es, solange wir Menschen sind, wohl kaum je völlig schaffen, den Dreck um den Diamanten ganz los zu werden. Aber es sollte uns gelingen, wenigstens den Diamanten da und dort durchschimmern zu lassen. Ein Heiler tut dies, wenn er arbeitet, und wenn seine Bemühungen vom Herzen und nicht vom Portemonnaie oder anderen egoisti­schen Motiven bestimmt werden. Er braucht sich dabei nicht einmal bewusst zu sein, was da geschieht, denn die Kräfte, die im Patienten etwas bewirken, sind nicht die Kräfte des Egos des Heilers, sondern viel universellere, intelli­gente Kräfte, die nach höheren Gesetzmäßigkeiten genau das vollbringen, was vollbracht werden muss, ob dies der Heiler nun weiss oder nicht. So zieht durch das Gesetz der Entsprechung ein Diamant den anderen Diaman­ten an. So lässt der Diamant im Heiler den Diamanten im Patienten aufleuch­ten.

Sogyal Rinpoche hat einmal das schöne, feine Bild dafür gebracht: Wir sind wie unter den Wolken. Wir müssen einen langen Hals machen, um die Wolken durchstoßen zu können und das Licht zu sehen, das ja immerwäh­rend hinter den Wolken strahlt. Die Kräfte, die durch den Heiler wirken, sind es, die uns sozusagen den “langen Hals” vermitteln, damit wir wieder im Antlitz des Lichtes sind.

Da unser Ego nun einmal vorhanden ist und immer wieder den Dia­manten unserer inneren Natur abfälscht, ist es auch klar, dass jeder Heiler wieder seine Art hat, der an sich einzigartigen inneren Kraft seinen eigenen Stempel aufzudrücken und sich in seiner ureigenen Art auch als Heiler zu betätigen. So hat jeder seine Methode. Je mehr diese Methode mit ihm als ganzem Wesen in Harmonie steht, desto mehr wird er damit bewerkstelligen, denn damit gibt er der Heilkraft die für ihn bestmöglichste Ausdrucksart, und hindert sie so wenig wie möglich an ihrer Entfaltung.

Mit diesen Ausführungen wird wohl auch klar, dass einer, der selbst krank ist, zwar nicht vollkommen ist, aber trotzdem der Kraft, die ihm innewohnt, Ausdruck geben kann und damit heilen kann.

Liebe und Heilen

Etwas vom Wichtigsten beim Heilen ist die Liebe.  Dieses Thema liegt mir sehr am Herzen, denn ohne Liebe ist Heilen wohl kaum möglich. Was aber ist Liebe? Liebe im Sinn der griechischen „Agape“.

Am besten kennen wir die Liebe als Ausdruck dessen, was zwischen zwei Menschen passiert, also z.B. als die Liebe zwischen Mann und Frau. Wir übersehen dort oft, dass diese “Liebe” sich schnell in Eigenliebe und dem Wunsch danach verwandelt, dass die andere Person die eigenen Wünsche erfüllt.

Der französische Autor Gustav Flaubert sagt: Liebe erblüht im Stau­nen einer Seele, die nichts erwartet, und sie stirbt an der Enttäuschung eines Ichs, das alles fordert! – Treffender könnte man es kaum ausdrücken. Dabei wird klar, dass ein sehr wesentliches Element der Liebe verloren geht, das eben beim Heilen auch unabdingbar ist, nämlich die bedingungslose Liebe, die schenkt, ohne eine Gegenleistung zu wollen.

Auch beim Heilen kann es leicht dazu kommen, dass der Heiler eigentlich seine eigenen Wünsche befriedigen will mit der Hilfe an seinem Nächsten. Dann wird das Heilen höchstens noch zu einem Akt der Magie, aber es gereicht weder ihm noch dem Patienten zum Heil!

Der Dalai Lama hat anlässlich seines Besuches in der Schweiz im Sommer 1995 die Liebe mit “Warmherzigkeit oder “Compassion” umschrie­ben, was ich übersetzen möchte mit “Mitgefühl”, “tiefer, aufrichtiger Anteil­nahme am Mitmenschen, ohne sich dabei durch das Leiden des Mitmenschen herabziehen zu lassen”.

Es existieren so viele Meinungen über die Liebe. Es kommt mir dazu ein Gleichnis aus dem Sufismus in den Sinn, das hervorragend den Gedanken der Liebe darstellt, Liebe begriffen als völlige Selbstaufgabe, als Akt selbstlo­sen unbedingten Dienens mit dem einzigen Ziel, dem Mitmenschen zu seinem Glück zu verhelfen, ganz mit seinem Ziel sich zu identifizieren und die eigenen Wünsche zu vergessen.

Das Gleichnis vom Liebenden

Es war einmal ein Liebespaar. Eines Tages, nach einer kürzeren Trennung, begab sich der Mann zu seiner Geliebten. Bei ihr angekommen, klopfte er voller Erwartung an ihre Tür. Ihre Stimme fragte durch die ver­schlossene Tür: “Wer ist da?” – “Ich bin es”, gab er freudig zur Antwort, ungeduldig darauf wartend, dass sie ihm die Tür öffnen würde. Wie erstaunt war er aber, als er wieder ihre Stimme hörte, die ihm zurief: “Da ist leider kein Platz für zwei, geh bitte wieder!” – Betrübt zog er von dannen und mühte sich mit seiner Arbeit fern von ihr ein ganzes Jahr lang ab, unablässig sich fragend, was wohl die Antwort seiner Geliebten bestimmt haben könnte. Als es die Situation endlich wieder erlaubte, ging er erneut zu ihr. Wieder fragte ihre Stimme: “Wer ist da?” Doch diesmal antwortete er: “Du bist es! “, und die Tür öffnete sich.

Wer zu solcher Liebe fähig ist, ist sicherlich ein guter Heiler, denn es gelingt ihm das allerwesentlichste beim Heilen, nämlich sich völlig zurückzu­ziehen, sein Ego abzuschalten und ungehindert fließen zu lassen, was da fließen soll, unbeeinflusst von eigenen Wünschen.

Wer solche Liebe übt, ist auch in bezug auf Karma auf dem besten Weg, denn er schafft sich so Energiefelder, die ihn wieder anziehen werden und die ihm um ein Vielfaches das zurückgeben werden, was er selbst zu geben gewillt war, und ihn obendrein gesund halten werden, denn mit einer solchen Einstellung ist er in Harmonie zu den höheren Gesetzmäßigkeiten, die das Leben regieren.

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